02.09.2024
Handwerk fordert Praktikumsprämie und Bürokratieabbau
„Der Fachkräftemangel, die Energiewende, der rückläufige Wohnungsbau sowie die weiter steigende Bürokratie stellt das heimische Handwerk vor große Herausforderungen“, sagte Kreishandwerksmeister Matthias Zieseniß zur Eröffnung des diesjährigen Tags des Handwerks in Hildesheim.
Deutschland muss „einfacher“ werden, wir sind durch eine Fülle von bürokratischen Vorschriften belastet. Das Handwerk hat viele Vorschläge eingereicht, zu den wichtigsten Forderungen gehört zum Beispiel, dass öffentliche Ausschreibungen vereinfacht werden. Weitere Beispiele und Forderungen gibt es bei den Sozialversicherungsbeiträgen, der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, der amtlichen Statistik, Mautpflicht und Gewerbeabfallverordnung.
Auch regional gibt es genügend Beispiele für bürokratische Hemmnisse. Ein Steinmetzbetrieb meldete sich letzte Woche in der Geschäftsstelle und beklagte ein „Knöllchen“, das er bei Ausübung seiner Tätigkeit bekommen hatte. Er musste mit dem Kran kurz auf dem Gehweg parken. Diese Tätigkeiten müssen nach Ansicht der Gemeinde drei Wochen vorher angemeldet werden. Es besteht Handlungsbedarf auf allen Ebenen.
Der Staat regiert selbst in die kleinsten Dinge des Alltags hinein. Das lähmt die Wirtschaft und nervt die Bürger.
Viele Menschen sind in Sorge. Sie fragen sich, wie sie den Hauskredit stemmen können, ob eine Wärmepumpe finanzierbar ist und ob das Geld, das der Staat ihnen lässt, noch für den Sommerurlaub reicht. Und das ist längst kein Randphänomen mehr. Die Verunsicherung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sorgen und Verunsicherung gibt es auch im Handwerk. "Wie lange will ich mir die Bürokratie noch antun?
Die Bürokratie zwingt unsere Betriebe mittlerweile zu einem Handeln, das nicht das ihre ist. So muss zum Beispiel jeder Arbeitsplatz danach beurteilt werden, inwiefern er für schwangere Frauen geeignet ist. Keine schlechte Idee, könnte man meinen. Aber diese umfangreiche Dokumentationspflicht zur Gefahrenlage für Schwangere wird auch dann verlangt, wenn die Stelle mit einem Mann besetzt ist.
Auch Anzeigepflichten machen uns zu schaffen. Beispielsweise müssen Abfalltransporte selbst dann behördlich gemeldet werden, wenn die Abfälle völlig ungefährlich sind. Diese Vorschrift kostet Gebühren und Zeit – und gehört in die Tonne.
Auch die Regeln zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten scheinen in Absurdistan gemacht worden zu sein. Betriebe mit 20 Beschäftigten müssen zwingend einen Datenschutzbeauftragten bestellen.
Das gilt selbst für Handwerksbetriebe, bei denen sich die Datenverarbeitung auf die Anfertigung von Kostenvoranschlägen und Rechnungen beschränkt und damit kaum eine Rolle spielt. Das führt nicht nur zu Kosten für Schulungen, sondern raubt der bestellten Person wichtige Zeit, die sie für ihre eigentliche Arbeit braucht.
Immerhin gibt es inzwischen das Büroentlastungsgesetz IV. Das Gesetz sieht unter anderem vor, die Aufbewahrungsfrist für Dokumente von zehn auf acht Jahre zu verkürzen. Das ist nett gemeint, bringt aber doch nicht wirklich etwas:
Viele Dokumente sind mittlerweile digital, und ob die zwei Jahre mehr oder weniger auf der Festplatte liegen, spielt keine Rolle. Aufwand und Kosten entstehen bei der Dokumentation, dort müsste man rangehen. Brauchen wir wirklich all diese Nachweise und Berichte?
Mein Vorschlag: Warum setzen wir nicht einfach einmal eine Vorschrift probehalber zwölf Monate aus und schauen, was passiert?
Ausbildungssituation
Die Suche nach Auszubildenden gestaltet sich in vielen Handwerken durch die demografische Entwicklung, den Trend zu höheren Schulabschlüssen sowie die gestiegene Studierneigung schwieriger.
Um mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung zu interessieren, braucht es einen Ausbau der Berufsorientierung an allen Schulformen sowie eine Wiedereinführung des Werkunterrichts an allgemeinbildenden Schulen.
Die Handwerksbetriebe sehen Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Vermittlung von Kernkompetenzen an allgemeinbildenden Schulen – die Lese-, Schreib- und Rechenfertigkeiten von Ausbildungsanfängern verschlechterten sich in den letzten 10 Jahren spürbar.
Es ist gut, dass der diesjährige Berufsbildungsbericht der Bundesregierung betont, wie wichtig die berufliche Aus- und Weiterbildung ist, um Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Deutschland umzusetzen. Damit wird ins öffentliche Bewusstsein gerückt, worauf wir als Handwerk schon seit langem hinweisen: Um ausreichend handwerkliche Fachkräfte für die Transformationsprozesse zu sichern, müssen die bildungspolitischen Entscheidungen der großen Bedeutung und notwendigen Wertschätzung der beruflichen Bildung Rechnung tragen. Es ist Zeit für eine Bildungswende, die echte Gleichwertigkeit der beruflichen und universitären Bildung schafft.
Dafür muss insbesondere die Berufsorientierung bundesweit in sämtlichen allgemeinbildenden Schulen, vor allem auch an Gymnasien, ausgebaut werden.
Wir brauchen auch eine Praktikumsprämie für Niedersachsen! Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Hollstein haben sich bereits von den Erfahrungen aus Sachsen-Anhalt überzeugen lassen, Niedersachsen sollte nachziehen! Eine Praktikumsprämie von 480 EUR nach gleichem Muster würde den Haushalt des Landes nur minimal belasten, könnte aber viel bewegen.
Politik, Gesellschaft und Handwerk müssen jungen Menschen verständlich machen, dass ein Ausbildungsberuf eine Bildungskarriere mit Sinn, Sicherheit und Zukunft verspricht. Die Auszubildenden heute sind die Fachkräfte von Morgen: Sie sind unverzichtbar für die anstehende Transformation der Wirtschaft.